Darm und Lebensqualität
Interview mit Dr. med. Erik Allemeyer
Spätestens seit Giulia Enders Bestseller „Darm mit Charme“ wird einer geregelten Darmfunktion als Voraussetzung für Gesundheit und Wohlbefinden verstärkte Bedeutung beigemessen. Doch welche Strategien und Behandlungsmöglichkeiten gibt es für Betroffene, die chronische Darmfunktionsstörungen haben?
Qufora hat dazu mit Dr. med. Erik Allemeyer,
Leitender Arzt, „Proktologie, Kontinenz- und Beckenbodenchirurgie“ an dem
Dr. med. Erik Allemeyer
1. Was hat Ihre Entscheidung, Arzt zu werden und die Viszeralchirurgie und die Proktologie als Ihre Tätigkeitsschwerpunkte zu wählen, beeinflusst?
Meine Entscheidung Arzt zu werden hatte einen längeren Vorlauf. Ich hatte schon seit meiner Kindheit und dann in der Jugend ein sehr breites Interessenspektrum, das galt auch für meine Berufsideen. Neben vielen sportlichen Aktivitäten, die das Aufwachsen mit Pferden – anfangs einem eigenen Pony, später einer sehr temperamentvollen Araberstute – mit sich brachten, liebte ich tagelanges intensives Literaturstudium, am besten in einer großen Bibliothek. Ein konstantes Element war, dass ich immer sehr viel Mitgefühl mit Menschen hatte, die in irgendeiner Form Einschränkungen ihres Lebensglücks erleiden mussten, nicht nur durch Krankheit bedingt.
Nach Abitur und Wehrdienstzeit durfte ich mir mit Unterstützung meiner Eltern einen Traum verwirklichen und zumindest für kurze Zeit nach dem neuzeitlichen Ideal einer Universalbildung streben: ich studierte neben der Medizin Ethnologie, Geschichte, Kunstgeschichte und Politologie und erlernte nebenbei das Schmieden. Schließlich entschied ich mich, die Medizin zum Beruf zu machen, weil ich da die meisten meiner Interessen verwirklichen konnte: das Mitgefühl mit leidenden Menschen konnte ich in stetiges aktives Handeln umsetzen. Die anderen Disziplinen und auch das Schmieden sind übrigens meine Hobbys geblieben.
Da ich handwerklich begeistert war, faszinierte mich die Chirurgie. Die Komplexität menschlicher Erkrankungen fand ich am intensivsten in der Viszeralchirurgie wieder. Die Koloproktologie und Beckenbodenchirurgie hatten für mich schon früh den Reiz, dass hier die richtige Diagnose und Therapieauswahl oft kniffelig sind und eine gezielte und korrekte Therapieauswahl häufig jahreslanges Leid lindern oder heilen können. Das macht das Arbeiten in der Koloproktologie besonders.
2. Mit welchen Beschwerden kommen Patienten am häufigsten zu Ihnen?
Die häufigsten Beschwerden in unserer Sprechstunde sind durch die hohe Spezialisierung Stuhlinkontinenz und chronische Obstipation einschließlich des Rektumprolaps, daneben das klassische Spektrum der Proktologie: Hämorrhoidenbeschwerden, Blutungen, Analschmerzen.
3. Welche Ursachen hat Ihrer Erfahrung nach die doch weit verbreitete chronische Obstipation?
Ganz klar führend ist sicher die ungesunde Ernährung, häufig besteht eine chronische Obstipation als Nebenwirkung von Medikamenten. Sehr oft aber ist keine Ursache zu finden und insbesondere in diesen Fällen ist eine geduldige und einfühlsame Haltung des Arztes wichtig, damit der Patient bis zum Therapieerfolg begleitet und ermutigt werden kann.
4. Beschreiben Sie bitte, welcher Behandlungsverlauf bei einer Person mit Stuhlinkontinenz in Ihrer Abteilung vorgesehen ist?
Das ist in unserer Abteilung sehr stringent organisiert: nach einer umfassenden Anamnese und eingehenden proktologischen Untersuchung erfolgt eine zielgerichtete Diagnostik u.U. ergänzt durch eine Koloskopie beim niedergelassenen Gastroenterologen. Ausgefeilte technische Untersuchungen sind entgegen landläufiger Meinungen nur selten erforderlich und würden den Patienten wohlmöglich unnötig belasten.
Es erfolgt dann ein stufenweiser Behandlungsablauf: wenn durch eine Ernährungsberatung keine Verbesserung zu erreichen ist, erwähne ich erstmalig die anale Irrigation als Option und beschreibe diese anhand von Illustrationen. Kann sich die Patientin nicht zu einem Therapieversuch durch anale Irrigation entschließen, führen wir eine Biofeedback Therapie über 3 – 6 Monate durch. Ist diese ebenfalls erfolglos, biete ich wieder eine anale Irrigation an, ansonsten eine Sakralnervenstimulation, bei der ein Schrittmacher unter der Haut zur Stimulation der Beckennerven und somit auch der Beckenmuskulatur eingesetzt wird. Hiermit haben wir sehr gute Erfolge für zahlreiche Patientinnen und Patienten erreichen können. Erst wenn all dieses keine ausreichende Verbesserung erbringt, erwäge ich eine operative Schliessmuskelrekonstruktion. Bleibt auch diese erfolglos, kommt die Anlage eines definitiven endständigen Kolostomas infrage.
Besonders wichtig ist mir, dass der Patient bei allen Schritten intensiv und einfühlsam begleitet wird und wir ihn als Ärzte davor bewahren, in eine resignative Akzeptanz des oft sehr hohen Leidensdruckes bei der Stuhlinkontinenz zu verfallen. Sonst drohen Depressionen und eine soziale Isolierung.
Quelle: Allemeyer EH et al. „Klinische Behandlungspfade als Hilfe im Zertifzierungsprozess“, Z Gastroenterol 2011; 49:A 1173
5. Bei den konservativen Therapien bieten Sie mehrere Möglichkeiten an. Nach welchen Kriterien entscheiden Sie, welche Therapie bei Betroffenen gewählt wird? Gibt es einen festgelegten Behandlungspfad?
Für die in meiner Abteilung behandelten komplexen Erkrankungen wie die Stuhlinkontinenz, die chronische Obstipation, den Enddarmvorfall, aber auch für Analfisteln und andere Leiden wende ich sog. Klinische Behandlungspfade an. Ich habe hierzu auch wissenschaftliche Untersuchungen durchgeführt und meine Erfahrungen auf verschiedenen Kongressen vorgetragen. Das Prinzip hat sich sehr bewährt. So werden unnötige Untersuchungen vermieden und sehr zügig eine zielgerichtete Therapie umgesetzt.
Quelle Innocept: Abb. mit freundlicher Genehmigung INNOCEPT Biobedded Medizintechnik GmbH – https://innocept.de
6. Wie lange behandeln Sie einen Patienten „konservativ“, bevor Sie mit anderen Therapien weitermachen? Welche Rolle spielt dabei die rektale Irrigation?
Meine Therapieempfehlungen erarbeite ich mir im engen Kontakt und einfühlsamen Gespräch mit meinen Patienten. Mein Ziel ist immer, eine individuelle Therapie für jeden Patienten auszuwählen – selbstverständlich nach dem Prinzip, so lange wie möglich konservativ, nur bei Erfolglosigkeit der konservativen Therapie operativ. Die Haltung und Reaktion des Patienten auf meine oft durch umfangreiche Illustrationen untermalten Erläuterungen spielen dabei für mich eine ganz große Rolle. Die anale Irrigation löst bei vielen Patienten Skepsis aus, hier kommt wieder meine Funktion als empathisch beratender Arzt zum Tragen. Ich habe viele Patienten erlebt, die nach eingehender Beratung durch die anale Irrigation eine sehr hohe Lebensqualität erreicht haben.
7. Untersuchungen berichten von häufigen Darmentleerungsstörungen nach tiefen Rektumresektionen (operativer Entfernung von Tumoren im Rektumbereich). Wie äußern sich die als LARS-Syndrom bezeichneten Darmprobleme bei diesen Patienten?
Das LARS-Syndrom hat tatsächlich eine sehr hohe Relevanz, welche früher unterschätzt wurde. Es ist deshalb ein großer Gewinn für die betroffenen Patienten, dass dieses Problem inzwischen eine vermehrte Aufmerksamkeit erfährt. Patienten mit LARS leiden unter Stuhlinkontinenz und einer hohen Stuhlfrequenz, mitunter verbunden mit unvollständigen Entleerungen.
Quelle: Qufora
8. Wie kann diesen geholfen werden?
Hier wird vorgegangen, wie bei anderweitig verursachter Stuhlinkontinenz. Es wird das gesamte Spektrum aus stuhlregulierenden Maßnahmen, Ernährungsberatung, Biofeedback und analer Irrigation eingesetzt. Häufig hilft eine Sakralnervenstimulation, wenn nichts Anderes wirksam oder vom Patienten erwünscht ist.
Abb. mit freundlicher Genehmigung Medtronic GmbH.
9. Darmentleerungsstörungen sind noch immer mit vielen Tabus und Ängsten belegt. Welchen Rat geben Sie Betroffenen?
Ich berate sehr gerne Patienten, die sich durch ihre Erkrankung belastet fühlen und bei denen mitunter auch Ängste und Scham sogar über Jahre das Leiden verstärkt oder die Hilfesuche verhindert haben. Ich hole die Betroffenen dort ab, wo sie stehen. Niemals geht es mir so, dass ich kein Verständnis für die Zurückhaltung oder Scham der Betroffenen habe. Ich stelle mir immer vor, ich bin es selber. Das mache ich seit meinem Medizinstudium so und das hilft mir sehr im Umgang v.a. auch mit seelisch belasteten Patienten. Ich finde diese Haltung eines Arztes eigentlich ganz logisch, denn jeder Arzt kann morgen selber zum Patienten werden und ich behandele meine Patienten so, wie ich selber behandelt werden möchte, wenn ich eines Tages Patient bin.
Auf dem Gebiet der Koloproktologie und bei Beschwerden des Beckenbodens können seelische Belastungen als Ursache für Beschwerden bestehen oder aber die Beschwerden zermürben im wahrsten Sinne im Laufe der Zeit das Nervenkostüm. Wenn wir uns in Betroffene hineinversetzen, können wir das sehr gut nachempfinden, meine ich.
Erste Schritte
Bevor die Qufora IrriSedo-Produkte für die Irrigation verwendet werden, sollte man sich mit der Funktionalität der Systeme vertraut machen.
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